Der Mayakalender – Teil 5 – Die lange Zählung der Maya-Inschriften

Der Artikel „Der Mayakalender“ ist ein Auszug aus der zweiten Auflage meines Buchs „Die Ruinenstädte der Maya„ –  einem Reiseführer zu den wichtigsten Mayastätten auf der Yucatán-Halbinsel in México und Guatemala.
Die 2. Auflage erscheint im Herbst 2017.

Der Mayakalender – Teil 1 – Einführung
Der Mayakalender – Teil 2 – Haab, das Sonnenjahr
Der Mayakalender – Teil 3 -Tzolkin, der sakrale Kalender
Der Mayakalender – Teil 4 – Die Kalenderrunde
Der Mayakalender – Teil 5 – Die lange Zählung
Der Mayakalender – Teil 6 – Zahlen und das Vigesimalsystem
Der Mayakalender – Teil 7 – Datum und Zahl in den Inschriften

Die lange Zählung – ein zusätzlicher Kalender

Für besonders große Zeiträume verwendeten die Maya spezielle Bezeichnungen. Das gesamte System, das daurch für die Datumsberechnung zur Verfügung steht wird heute von der Forschung als „Die lange Zählung“ oder “ Long Count“ bezeichnet. Mit der langen Zählung konnten Zeitabschnitte, über die in der Kalenderrunde möglichen 52 Jahre hinaus, gezählt werden.

Zu diesem Zweck nahm man, zusätzlich zu den bereits erwähnten Einheiten, Kin , Uinal und Tun, noch einige weitere Einheiten dazu und notierte so alles in allem die Zeit, die seit dem Tag der Schöpfung vergangen war. Was es mit dem Schöpfungstag auf sich hat werde ich weiter unten erklären.

Dies entspricht von der Art her unserer Einteilung in Jahrhunderte oder Jahrtausende. Die Zeiträume der Maya waren aber dadurch, dass sie ein Vigesimalsystem verwendeten, von völlig anderer Länge als unsere Zeiteinheiten.  Die folgende Liste zeigt diese Zeiteinheiten , ihre Namen und ihre Dauer.

Der Mayakalender - Zeiteinheiten der langen Zählung und ihre Dauer - Kin, Uinal, Tun, Katun, Baktun, Piktun, Calabtun, Kinchiltun, Alautun
Der Mayakalender – Zeiteinheiten der langen Zählung und ihre Dauer – Kin, Uinal, Tun, Katun, Baktun, Piktun, Calabtun, Kinchiltun, Alautun

Die Namen der niedrigen dieser Zeitdauern kennt man aus der frühen kolonialen Epoche. Kin, Uinal, Tun, Katun und Baktun wurden so auch von den Maya bezeichnet. Für die Stellen 6 bis 9 haben die Mayaforscher, basierend auf der Mayasprache, eigene Begriffe erfunden.

Beachte, dass die Zahlen außer beim Tun immer 20 Werte umfassen, beim Tun sind es nur 18. Deshalb beginnt die eigentliche Zählung immer bei 0 und endet dann bei 19 oder beim Tun dann bei 17.

Kin, Uinal, Tun, Katun, Baktun – Zeitstrukturen

Betrachten wir das System etwas genauer:

Kin

Die kleinste Einheit ist Kin, das Äquivalent zu einem Tag.

Uinal

20 Kin bilden ein Uinal, was sehr grob einem Monat entspricht.

Tun

18 Uinal ergeben ein Tun, was in etwa einem Jahr entspricht. Es hat 20 x 18 = 360 Tage

Katun

Fasst man 20 Tun zusammen, dann erhält man ein Katun. Ein „Jahrzwanzigst“, wenn man so will.

Baktun

20 Katun ergeben ein Baktun. Dieses umfasst dann einen Zeitraum von 400 Jahren.

Piktun und der Rest

Der nächstgrößere Zeitraum, das Piktun, würde dann 8000 Jahre umfassen. Da sich die meisten Inschriften mit Geschehnissen mit historischen Begebenheiten befassen und diese alle im Piktun 0 stattfanden, tauchen die großen Einheiten so gut wie nie in Inschriften auf und ich verzichte hier auf eine weitere Beschreibung.

Schreibweise der Zahlen in der langen Zählung

Um jetzt ein Datum zu beschreiben werden die Werte von links nach rechts, von den größeren Einheiten zu den kleineren notiert, so wie auch bei uns in einer Zahl, etwa 2001, die Tausenderstelle links befindet und rechts dann Hunderter, Zehner und Einser notiert werden.

Also:
Baktun -> Katun -> Tun -> Uinal -> Kin

Die Kalenderberechnung

Achtung, jetzt kommt ein wenig Mathematik. Das Einmaleins der Mayakalenderberechnung sozusagen.

Nehmen wir ein Kalenderdatum der Maya. Die von mir hier verwendete Zahl

9 Baktun 9 Katun 2 Tun 4 Uinal 8 Kin

würde ein eindeutiges Datum identifizieren.

In Kurzform würde man schreiben:

9.9.2.4.8

Und wenn man jetzt eine Berechnung entsprechend der oberen Tabelle durchführt, was ich hier mal mache, dann ergibt sich daraus die Zahl:  1361608

Die Berechnung habe ich auf diese Art durchgeführt:

(9*20*20*360)+(9*20*360)+(2*360)+(4*20)+(8*1)= 1361608

Das ist die Anzahl der Tage, die seit dem Tag Null im Mayakalender verstrichen sind.

Seit dem Schöpfungstag der Maya sind also bis zum Datum 9.9.2.4.8 dementsprechend  1361608 Tage vergangen.

Die Umrechnung vom Mayakalender zum gregorianischen Kalender

Umgerechnet auf unseren Kalender ergibt das Datum der Beispielrechnung den 26.7. des Jahres 615.n. Chr. (gregorianisch).

Das Datum ist aus Inschriften bekannt. An diesem Tag bestieg Pakal der Große, gerade 12 Jahre alt geworden, den Thron von Palenque.

Wie kommt man jetzt aber von der Zahl 1361608 auf das Datum 26.7.615 n. Chr.?

Am einfachsten erfolgt die Umwandlung der Tageszahl in ein gregorianisches Datum, indem man ein Computerprogramm zur Hilfe nimmt. Im Internet gibt es zahlreiche Seiten, die eine entsprechende Kalenderumrechnung anbieten. Im Anhang findet du eine Liste.

Grobe Berechnung, wenn man gerade keinen Computer zur Hand hat

Du kannst dir auch mit einem Taschenrechner behelfen oder den Taschenrechner auf dem Smartphone verwenden und so zumindest die Jahreszahl bestimmen. Ein Blatt Papier und ein Kugelschreiber tun es natürlich auch.

Die Formel dafür ist einfach und liefert zumindest ein grobes Ergebnis:

Jahr = (Anzahl der Tage / 365,25) – 3112,31

Und ergibt, wenn wir die Zahl 1361608 einsetzen tatsächlich:  615,569535

Die Methode ist nicht exakt, denn je nachdem ob Schaltjahre eine Rolle spielen, kann der Wert um ein Jahr von der wirklichen Jahreszahl abweichen. Für jemanden, der vor Ort eine Inschrift nur grob einordnen will, ist diese Formel aber perfekt.

Das war aber noch nicht alles, was die Maya in den Inschriften hinterließen. Zusätzlich zu der Zahl der langen Zählung notierten sie auch noch den genauen Tag aus der Kalenderrunde. Also den Tag aus Tzolkin und Haab. Eine vollständige Inschrift hätte also aus den folgenden Werten bestanden.

9.9.2.4.7  5 Lamat 1 Mol

Darstellung der Zeiteinheiten in den Inschriften

In den Inschriften verwendeten die Maya besondere Zeichen, um die einzelnen Zeiteinheiten zu kennzeichnen. Die Abbildung hier unten zeigt dir die 5 wichtigsten Perioden in ihrer symbolischen Darstellung. In der Zeile darunter findet sich eine jeweilige Kopfvariante, die von den Schreibern wahlweise verwendet werden konnte.

Glyphen für Zeitabschnitte - Period Glyphs - Symbole und Kopfzeichen - Baktun, Katun, Tun, Uinal, Kin
Glyphen für Zeitabschnitte – Period Glyphs – Symbole und Kopfzeichen – Baktun, Katun, Tun, Uinal, Kin

Die Zahl 13 bei den Baktun

Bei der Zählung der Baktun gibt es noch eine Besonderheit zu beachten. Die Maya verwendeten für das erste Baktun nicht wie man erwarten würde die Zahl 0, sondern begannen mit ihrer Zählung bei 13. Das zweite Baktun war dann das mit der Nummer 1. Nach 19 Baktun springt der Zähler dann allerdings nicht auf 20 und auch nicht auf 13 sondern auf 0. Die 13 hatte bei den alten Maya einen Sonderstatus inne und wurde als heilige Zahl verehrt. So zumindest erklärt man sich diese Merkwürdigkeit.

Der Schöpfungstag

Der Tag der Schöpfung kann eigentlich nur am ersten Tag der Mayazeitrechnung erfolgt sein. Also am Tag 0. Das wäre das Datum 13.0.0.0.0. Also im 13. Baktun, das wie ich gerade ausgeführt habe, dem Baktun mit der Nummer 0 entspricht.

Tatsächlich findet man diese Zahl in einigen Inschriften über das gesamte Mayaland der klassischen Zeit verteilt. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel wurde auf Stele C in Quirigua in Guatemala entdeckt.

Umgerechnet auf den gregorianischen Kalender entspricht das Schöpfungsdatum der Maya dem 13. August 3114 v. Chr. Es war nach der Zählung der Kalenderrunde 4 Ahau 8 Kumku. Ab diesem Datum werden die Tage gezählt, teilweise bis weit in die Zukunft.

Die Korrelation

Ein großes Problem war es den Kalender der Maya, wie man ihn in den Inschriften findet, mit unserem christlich-gregorianischen Kalender in Einklang zu bringen, um feststellen zu können zu welchem Zeitpunkt genau ein von den Maya festgehaltenes Ereignis eigentlich stattgefunden hat.

Über diese Korrelation herrschte lange Zeit Uneinigkeit. Als die spanischen Eroberer begannen die Kultur der Maya zu dokumentieren, war die lange Zählung, wie sie in den Inschriften anzutreffen ist schon lange nicht mehr in Gebrauch.

Aus den spärlichen Aufzeichnungen der Kolonialzeit, sei es von spanischen Geistlichen oder von den von Maya verfassten Dokumenten, aus verschiedenen astronomischen Aufzeichnungen in den Codizes und auf Grund von astronomischen Beobachtungen (Super-Nova, besondere Planetenkonstellationen, die in den Inschriften festgehalten wurden, war es doch möglich die beiden Kalender miteinander zu verknüpfen.

Die meisten Forscher folgen derzeit der sogenannten Thompson-Korrelation. Durch dessen Korrelationszahl wurde der Anfang des Mayakalenders auf den 13. August 3114 v.Chr. gelegt.

Wie lange diese Korrelationszahl Bestand haben wird, wird sich noch erweisen. Aber natürlich macht es Sinn, dass man sich zunächst einmal auf eine Art der Zeitrechnung einigt, damit man zumindest verschiedene Fachbücher miteinander vergleichen kann.

>>> Weiter mit:  Der Mayakalender – Teil 6 – Zahlen und das Vigesimalsystem

Christian Schoen

Christian Schoen ist Weltenbummler, Reiseschriftsteller und Autor des erfolgreichen Reiseführers "Die Ruinenstädte der Maya". Er liebt es Tempel, Pyramiden und sonstige alte Gemäuer zu besichtigen, wozu er auch abenteuerliche Wanderungen durch tropische Dschungellandschaften in Kauf nimmt. Immer dabei hat er seine Spiegelreflexkamera, um das vor Ort gesehene auch seinen Lesern vorstellen zu können. Aber im Schwarzwald kann man ihn auch manchmal antreffen.