Tikal – Mayapyramiden und Tempelruinen im Dschungel von Guatemala

Die Mayastadt Tikal ist nur etwa 60 Kilometer nordwestlich vom am Lago Petén gelegenen Florés entfernt. Sie liegt inmitten eines riesigen Naturschutzgebietes, das im Norden bis an die mexikanische Grenze reicht. Der im südlichen Tiefland des Mayagebietes typische, dicht gewachsene Regenwald, der die Mayastätte umgibt, verleiht ihr ihren speziellen Charakter. Dazu kommen noch die zahlreichen Tier- und Pflanzenarten, die man mit etwas Glück bei einem Besuch der Stätte bewundern kann.

Aus gutem Grund wurde Tikal von der UNESCO den Status Weltkulturerbe und gleichzeitig Weltnaturerbe verliehen. Schon auf der Fahrt zu dieser wohl am besten erforschten Mayastadt in Guatemala, bekommt man einen Eindruck der üppigen Natur, denn die asphaltierte Straße führt über lange Strecken durch dichten Dschungel. Die Baumwipfel treffen sich über der Straße und erzeugen so den Eindruck, man würde durch einen grünen Tunnel fahren. Hin und wieder warnen Verkehrsschilder davor, dass Schlange, Nasenbär oder Jaguar die Straße überqueren könnten.

Der ursprüngliche Name in der Sprache der Maya für Tikal war Yax Mutal. Über die Bedeutung des Wortes sind sich die Forscher noch nicht einig. Das Stadtemblem enthält die stilisierte Abbildung eines zusammengeschnürten Bündels. Für den Wortstamm Mut- wurden bisher mehrere sehr unterschiedliche Bedeutungen entdeckt: Omen, Vogel oder geflochtener Zopf bzw. Haarknoten. Die Endung –al wurde häufig für Orte verwendet. Yax wiederum bedeutet „erste“ und betont die Wichtigkeit Tikals in der antiken Welt der Maya.

Das Wort Tikal andererseits ist modernen Ursprungs und wurde dem Ort von Kautschuksammlern gegeben. Es bedeutet möglicherweise „Ort mit einem Wasserloch“.

Tikal: Temple II at the Plaza Major
Tikal: Temple II at the Plaza Major

Erste Expeditionen

Die erste schriftlich festgehaltene Expedition nach Tikal wurde 1848 von Modesto Mendez, dem damaligen Gouverneur der Provinz Petén, unter Führung des Chicleros Ambrosio Tut durchgeführt. Ein Bericht über diese Expedition erschien fünf Jahre später als deutsche Übersetzung in einer Veröffentlichung der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Der nächste Bericht eines Reisenden stammt dann von einem schweizerischen Arzt namens Carl Gustav Bernoulli. Dieser besuchte die Ruinenstätte 1877 und nahm einige hölzerne Türstürze, die er in den Ruinen gefunden hatte, mit in die Schweiz. Sie sind heute in Basel zu bewundern. In Folge besuchten Alfred Percival Maudslay (1881) und Teoberto Maler (1895 u 1904) die Stätte und untersuchten sie erstmals genauer. Nach einem Besuch von Alfred Tozzer und Raymond Merwin im Jahre 1910 kehrte im Dschungel zunächst wieder Ruhe ein. Es dauerte dann bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, bis mit einer systematischen Inspektion und Restaurierung der Ruinen begonnen wurde.

Tikal – Die Nordakropolis und Tempel II

Tikal – Die Nordakropolis und Tempel II

Abbildung 83 – Tikal – Die Nordakropolis und Tempel II

Überblick

Die Besiedlung von Tikal begann bereits in der präklassischen Phase um 900 v. Chr. Die ersten architektonischen Spuren stammen aus der Präklassik und datieren auf 200 v. Chr. In diese Phase fällt auch die erste Blütezeit der Stadt, die bis ungefähr 200 n. Chr. dauerte.

Dem allgemeinen Verfall, der dann am Ende der Präklassik einsetzte, entging Tikal nicht. Aber es überstand die Zeit und schwang sich während der klassischen Periode zu neuer Größe auf, während viele andere der präklassischen Mayastädte bereits vollständig verlassen und von ihren Bewohnern aufgegeben waren.

In dieser zweiten Blütezeit während der Klassik, könnte das von Tikal kontrollierte Gebiet insgesamt etwa 200.000 Menschen Lebensraum geboten haben, während direkt in der Stadt und in ihrer unmittelbaren Nähe etwa 60.000 Menschen gelebt haben dürften. Das eigentliche Stadtgebiet umfasst eine Fläche von 65 Quadratkilometer. Bisher wurden 6000 Gebäude identifiziert. Man nimmt aber an, dass mehr als 10000 Gebäude darauf warten, entdeckt zu werden.

Etwa um 900 n. Chr. herum, am Ende der klassischen Periode ereilte Tikal dann das gleiche Schicksal wie die anderen klassischen Städte des südlichen Tieflandes. Es wurde von seinen Bewohnern endgültig aufgegeben und schließlich vom Dschungel verschluckt.

Beschreibung der Stätte

Vom Eingang der Stätte aus, erreicht man nach etwa 1,3 Kilometer die zentral gelegene Gran Plaza. Mehrere der großen Hauptgebäude sind entlang der vier Seiten um diesen großen Platz herum gruppiert. Die Tempel I und II befinden sich auf der Ost- bzw. Westseite des Platzes und sind aufeinander ausgerichtet. Nördlich des Platzes befindet sich die nördliche Akropolis, auf der Südseite findet sich die zentrale Akropolis. Die Zentrale Akropolis diente vermutlich als palastähnliches Wohngebäude der Herrscherfamilie, während man in der nördlichen Akropolis mehrere Gräber mit Beigaben entdeckt hat und deshalb vermutet, dass dieses Gebäude als Begräbnisort gedient hat.

Sacbeob – Zeremonialstraßen

Man hat auf dem Gebiet von Tikal vier von den Maya erbaute Dammstraßen gefunden, sogenannte Sacbéob. Sacbéob ist die Mehrzahl des Mayathanwortes Sacbé, das übersetzt “weiße Straße“ bedeutet. Diese entstanden vermutlich in der Spätklassik, teilweise aber auch früher und verbanden mehrere Zeremonialzentren miteinander.

Vom Zentrum aus führen drei der nach den berühmten Erstbesuchern benannten Sacbéob zu an der Peripherie liegenden Gebäudekomplexen. Ein vierter Sacbéob verbindet zwei der peripheren Gruppen.

Calzada Mendez

Der Calzada Mendez genannte Sacbé führt, vom hinter Tempel I gelegenen Plaza del Oriente, über eine Strecke von 1,3 km vorbei an den Gebäuden der Gruppe G nach Südosten zum Tempel VI, dem Tempel der Inschriften.

Calzada Tozzer

Hinter Tempel II beginnt die Calzada Tozzer. Sie führt in Richtung Westen vorbei an Tempel III zu dem etwa 500 Meter entfernten Tempel IV.

Calzada Maler

Die Calzada Maler führt über eine Strecke von etwa 800 Metern vom Plaza del Orient nach Norden, vorbei an den Gebäudegruppen Komplex R und Q, zu den Komplexen H und P.

A coati sitting in a tree in Tikal
A coati sitting in a tree in Tikal

Calzada Maudslay

Die vierte Straße, die Calzada Maudslay, verbindet den Tempel IV und die Komplexe H und P. Sie hat eine Länge von etwa 800 Metern.

Die Tempel und Gebäudegruppen

Die Tempelpyramiden sind üblicherweise nummeriert. Manche haben aber wegen besonderer, dort gefundener Abbildungen oder Inschriften spezifische Eigennamen.

Tempel I – Der Tempel des Jaguars

Diese Tempelpyramide an der Gran Plaza gelegen, ist im Grunde das Wahrzeichen Tikals und dürfte, neben der Kukulcán-Pyramide von Chichén Itzá, die berühmteste Pyramide Mesoamerikas sein.

Sie ist 47 Meter hoch und diente als Begräbnisstätte für einen wichtigen Herrscher von Tikal, Jasaw Chan K’awiil I, der in den Jahren 682–734 über das Staatsgebiet von Tikal herrschte. Das Gebäude ist als typische Stufenpyramide mit neun Ebenen realisiert. Man nimmt an, dass das Gebäude etwa 732 n. Chr. fertiggestellt war. Die Fronttreppe hat exakt 100 Stufen.

Tempel II – Der Tempel der Masken

Diese dreistufige Tempelpyramide erreicht eine Höhe von 38 Metern. Sie steht dem Jaguartempel gegenüber an der Gran Plaza. Man nimmt an, dass dieses Gebäude von Jasaw Chan K’awiil I. als Grabmal für seine Gattin Kalajuun Une‘ Mo‘ errichtet wurde. Das Bauwerk ähnelt in seiner Architektur anderen Gebäuden aus der Frühklassik, wurde aber in etwa zur selben Zeit konstruiert wie der Jaguartempel.

Tikal: Temple 1 and 2, standing face to face
Tikal: Temple 1 and 2, standing face to face

Abbildung 85 – Tikal – Rechts Tempel I und links Tempel II

Tempel III – Der Tempel des Jaguarpriesters

Tempel III wurde etwa um 810 n. Chr, während der spätklassischen Periode, fertiggestellt. Als einzige der Pyramiden in Tikal hat der eigentliche Tempel auf der Spitze nur zwei, anstatt der üblichen drei Räume, wie man sie ansonsten bei den übrigen Tempelpyramiden in der Stadt nachgewiesen hat. Die Höhe der Struktur ist 55 Meter. Als Erbauer des Tempels des Jaguarpriesters gilt ein Herrscher, dessen Namen man nicht genau kennt. Von den Archäologen wird er mit dem Spitznamen „Verdunkelte Sonne“ oder „Dark Sun“ bezeichnet. Er regierte während der Zeit, in der die Pyramide errichtet wurde.

Tempel IV – Der Tempel der zweiköpfigen Schlange

Mit knapp 65 Metern ist Tempel IV das höchste Bauwerk in Tikal. Als sein Erbauer gilt Yik’in Chan K’awiil, der möglicherweise von 734 n. Chr. bis 766 n. Chr. regiert hat. Man vermutet im Inneren der Tempelpyramide die Grabstätte dieses Herrschers, eine Grabung ins Innere hat aber bisher noch nicht stattgefunden. Ungefähr 741 n. Chr. wurde das Bauwerk fertiggestellt. Von der oberen Plattform der Pyramide aus wurde 1977 eine Szene für den Film „Star Wars – Episode IV“ gefilmt. Sie zeigt die über den umgebenden Dschungel herausragenden Tempel an der Gran Plaza.

Tikal - TemTikal - Temple IV - Wooden stairs at the side to climb up to the top of the pyramidple IV
Tikal – Temple IV – Wooden stairs at the side to climb up to the top of the pyramid
Die astronomische Bedeutung von Tempel IV

Aber nicht nur für George Lukas war der Ausblick von Tempel IV von Interesse. Auch die Maya wussten den erhöhten Standort zu nutzen. Die Ausrichtung von Tempel IV zu Tempel I erfolgte nach astronomischen Gesichtspunkten. Von Tempel IV aus sieht man am 12. Februar und am 30. Oktober im Dachkamm von Tempel I die aufgehende Sonne. Die beiden Termine sind für den Tzolkin-Kalender, einen von den Maya verwendeten Kalender, bedeutsam. Zwischen den beiden Daten liegen genau 260 Tage, was der Länge des Tzolkin entspricht. Das Kalendersystem der Maya ist weiter hinten im Buch beschrieben.

Tempel V

Dieser Tempel ist mit 57 Metern der zweithöchste der Tempel Tikals. Die Bauzeit nimmt man in der Spätklassik während des 7. Jahrhunderts an. Möglicherweise wurde er während der Regierungszeit von Nuun Ujol Chaak errichtet, der von 650 bis 679 regierte. An seiner linken Seite führt eine fast 50 Meter hohe, extrem steile Treppe zur oberen Plattform. Der Ausblick ist atemberaubend, der Aufstieg allerdings auch. Wenn man dann wieder an der Treppe steht, um hinabzusteigen, stockt einem in weiteres Mal der Atem. Schwindelfrei sollte man auf jeden Fall sein, zumal es an der Plattform keine Absperrgitter gibt.

Tempel VI – Der Tempel der Inschriften

Vom Tempel der Inschriften wird angenommen, dass er eigentlich kein Tempel, sondern eher ein Palastgebäude war. Seinen Namen erhielt er von einer Reihe von langen Inschriften, die sich an den Seiten und an der Rückwand befinden. Die in den Inschriften festgehaltenen Daten reichen bis in die Zeit der Präklassik zurück und nehmen Bezug auf einen möglicherweise mythischen Stadtgründer Tikals namens Weiße-Eule-Jaguar mit einem Datum des Jahres 1143 v. Chr. Die Bauzeit wird in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts datiert, möglicherweise unter Jasaw Chan K’awiil I. Eine vor dem Tempel gefundene Stele beschreibt die Thronbesteigung seines Sohnes Yik’in Chan K’awiil.

Die Nördliche Akropolis

Die nördliche Akropolis, auf der Nordseite der Plaza Major gelegen, ist eine der sehr alten Strukturen Tikals. Etwa 350 v. Chr., gegen Ende der mittleren Präklassik, sind die ersten Bautätigkeiten nachzuweisen, auf deren Basis dann die nördliche Akropolis entstand. Funde weisen aber darauf hin, dass schon ab etwa 800 v. Chr. diese Stelle für Zeremonien genutzt wurde. Zum Ende der präklassischen Periode, im 1. Jahrhundert n. Chr., ist das erste Begräbnis feststellbar. Man nimmt an dass es sich dabei um die Begräbnisstätte des Dynastiegründers Yax Ehb‘ Xook handelt, der etwa 90 n. Chr. regiert hat. Spätere Grabstellen von Herrschern Tikals stammen dann aus der klassischen Periode. Insgesamt 43 Stelen und 30 Altäre wurden in diesem Bereich gefunden, viele davon mit Inschriften versehen, die es erlauben, die einzelnen Gräber bestimmten Herrschern zuzuordnen. Man sieht daran, dass die nördliche Akropolis in dieser Zeit als Nekropole oder Totenstadt der herrschenden Dynastie verwendet wurde.

Die nördliche Akropolis misst an ihrer Basis etwa 100 mal 80 Meter. Man erreicht ihre 12 Meter über der Plaza Major gelegene Oberfläche über verschiedene, an der Südseite befindliche Treppen. Auf der Plattform der Terrasse und an ihrer Ostseite wurden in den folgenden Jahrhunderten zahlreiche Tempel errichtet, die häufig als Grabstätten dienten. Teilweise wurden sie jedoch leider von Grabräubern geplündert, was schon bald nach dem Niedergang Tikals begann. Manche dieser kleineren Tempel erreichen trotzdem stattliche Höhen, wie etwa Tempel 33 mit 33 Metern.

Die zentrale Akropolis

Die zentrale Akropolis findet sich an der Südseite der Plaza Major. Ebenso wie für die nördliche Akropolis, begannen die Bauaktivitäten um 350 v. Chr. herum in der präklassischen Phase. Die älteren Gebäude wurden teilweise in späteren Zeiten überbaut. Von ihrer Funktion her unterscheidet sich die zentrale Akropolis deutlich von der nördlichen. Sie diente den adligen Herrscherfamilien als Wohnsitz. Es sind insgesamt 43 Strukturen in diesem Areal identifiziert worden. Unter manchen davon konnte man Begräbnisspuren nachweisen, was darauf hindeutet, dass diese Strukturen tatsächlich als Wohnung gedient haben. Es war verbreitet, dass Familienangehörige unter dem Fußboden des eigenen Heims vergraben wurden. Dort wo diese Begräbnisse fehlen, nimmt man an, dass die betreffende Struktur nicht als Wohnsitz, sondern als Verwaltungsgebäude gedient hat.

Malers Palast – eine Gebäudestruktur, die auch 5D-46 genannt wird, war vermutlich das Wohngebäude der Herrscherfamilie. Es wurde um 350 n. Chr. errichtet.

Yaxhá: Red Tillandsia growing at a tree
Yaxhá: Red Tillandsia growing at a tree

An der nordöstlichen Peripherie gelegen, ist die Gruppe H über die Calzadas Maudslay und Maler zu erreichen. In beiden Fällen beträgt die Entfernung ungefähr 800 Meter. Hin und zurück addieren sich also leicht 1,6 km Entfernung, ohne dass man das Herumlaufen um Tempel und andere Strukturen berücksichtigt. Die Gebäudestrukturen, die man dort sehen kann, stammen aus der spätklassischen Ära.

Gruppe G

Geht man auf der Calzada Mendez in Richtung Tempel VI, dann kommt man an Gruppe G vorbei, die rechts des Weges liegt. Es handelt sich hier um einen großen Palastbezirk. Es gibt Innenhöfe und zweistöckige Wohngebäude. Insgesamt 29 Gewölbekammern hat man hier entdeckt.

Der Platz der Sieben Tempel und die Gebäudegruppe Mundo Perdido liegen süd-westlich des Gran Plaza in geringer Entfernung und sind nicht über einen Sacbé an das Zentrum angebunden.

Mundo Perdido- Die verlorene Welt

Mit einer Grundfläche von 60.000 Quadratmetern ist dies eine der größten Strukturen von Tikal. Ihren Namen Mundo Perdido, die verlorene Welt, erhielt sie von den Archäologen der Universität von Pennsylvania, die hier die ersten Untersuchungen anstellten.

Man hat sechs Bauphasen nachgewiesen. Die Anfänge der Bauaktivitäten reichen bis weit in die Präklassische Zeit zurück. Erste Spuren wurden auf 700 v. Chr. datiert. In späteren Zeiten wurde der Komplex immer wieder erweitert und überbaut. Bei Arbeiten, die zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert stattgefunden haben, zeigt sich deutlich der Einfluss Teotihuacáns, einer mesoamerikanischen Kultur im Hochtal von Mexico, die im gesamten Gebiet der Maya ihre Wirkung zeigte. Die architektonische Besonderheit, an der sich dieses zeigt, ist der aus Teotihuacán bekannte Talud-Tablero-Stil. Dabei wechseln sich beim stufenweisen Aufbau der Pyramidenstruktur vertikale Abschnitte (Tablero= Tafel) und schräge Abschnitte (Talud=Böschung) miteinander ab. Der mit der Nummer 5C-49 bezeichnete Tempel ist ein Beispiel dieser Bauweise und gleichzeitig die zweitgrößte Struktur der Gruppe.

Das Zentrum des Mundo Perdido-Komplexes bildet „Die Große Pyramide“ oder Verlorene Welt-Pyramide. Sie ist 31 Meter hoch, an ihrer Basis misst sie fast 70 Meter und ist somit das umfangreichste Bauprojekt, das in Tikal überhaupt stattgefunden hat. Insgesamt fünf Überbauungen hat man festgestellt. Die Anfänge reichen auch hier in die präklassische Phase zurück.

Der Totenkopftempel – oder Templo de las Calaveras – ist die drittgrößte Struktur des Mundo Perdido-Komplexes. Auch hier hat man mehrere Überbauungen festgestellt. Zahlreiche Grabstätten, die man in diesem Komplex gefunden hat, deuten darauf hin, dass Mundo Perdido über lange Zeit dieselbe Funktion einer Nekropole für die Herrscherschicht innehatte wie die nördliche Akropolis.

Platz der Sieben Tempel – Plaza de los Siete Templos

Westlich der zentralen Akropolis und südlich von Tempel III findet sich der Platz der sieben Tempel – Plaza de los Siete Templos. Hier befindet sich eine Vielzahl kleinerer Tempel, die an der Ostseite des Platzes eine Reihe bilden. Der Platz hat eine Fläche von 25000 Quadratmetern, was ihn zum drittgrößten Platz Tikals macht. Der Baubeginn liegt in der Präklassik während der 7. Jahrhunderts v. Chr.

Zwillingspyramiden

In Tikal hat man insgesamt neun Zwillingspyramiden entdeckt. Dabei handelt es sich um Paar kleiner Pyramiden, deren obere Plattformen über jeweils vier Treppen erreicht werden können, die sich an den den vier Himmelsrichtungen entsprechenden Seiten befinden. Je zwei dieser Pyramiden sind an der Ost- bzw. Westseite eines Platzes angeordnet. Aufgrund von Inschriften kennt man bei den als Gruppe M, N, O, P, Q und R bezeichneten Zwillingspyramiden das Jahr, in dem sie errichtet wurden.

Tabelle der Zwillingspyramiden mit Datum und dem Datum der langen Zählung:

Dabei fällt auf, dass diese Daten genau 20 Jahre auseinander liegen und den damaligen Wechsel des Katun kennzeichnen. Offensichtlich wurden sie anlässlich dieses Wechsels aus zeremoniellen Gründen gebaut. Die Zwillingspyramiden finden sich an unterschiedlichen Stellen im Stadtgebiet Tikals.

Ähnliche Zwillingspyramiden wurden ansonsten nur an drei anderen Orten gefunden. Eine davon in Yaxhá, eine in Ixlu, an der Engstelle zwischen Lago Petén und Lago Salpeten bei El Remate gelegen, und zwei weitere in Zacpetén, auf einer Halbinsel im Lago Salpeten. Außerhalb dieses in unmittelbarer Nähe zu Tikal befindlichen Gebiets sind bisher keine Zwillingspyramiden nachgewiesen worden.

Geschichte

Dank zahlreicher, gut erhaltener Inschriften auf Steintafeln, ist man über die klassische Phase Tikals weitaus besser informiert, als über die Zeit davor oder danach. Für diese Zeiträume ist man auf Spatenfunde angewiesen, um zumindest einen groben Überblick zu bekommen.

Präklassik

Erste landwirtschaftliche Aktivitäten konnten in der mittleren Präklassik, etwa um 1000 v. Chr. festgestellt werden. Auf 800 v. Chr. wurden die unter den ältesten Gebäuden festgestellten Keramikreste datiert. Die Bautätigkeiten an den ältesten Strukturen von Tikal begannen schon sehr früh, etwa ab 650 v. Chr., wie man für den Platz der sieben Tempel und die Mundo Perdido-Gruppe annimmt.

Zu dieser Zeit war Tikals Einfluss in der Region noch gering. Seine Bedeutung war überschattet von der Macht und Pracht El Miradors und Nakbes, die während der präklassischen Phase die Machtzentren des Mayagebietes darstellten.

Klassik

Insgesamt 33 Herrscher konnten in Tikal festgestellt werden. Sie regierten in Folge während eines Zeitraums von 1800 Jahren und lenkten die Geschicke der Stadt. Der Dynastiegründer war vermutlich Yax Ehb Xook, dessen Regierungszeit noch in die späte Präklassik, das 1. Jahrhundert n. Chr. fiel.

Die ersten Jahrhunderte der frühklassischen Phase waren von kriegerischen Aktivitäten geprägt, in die neben Tikal auch Uaxactun, Caracol, Calakmul und Naranjo involviert waren.

378 n. Chr. kam es zu einer Invasion durch eine Armee Teotihuacáns in Tikal. Der gerade amtierende 14. Herrscher „Jaguarklaue“ Chak Tok Ich’aak I wurde von der fremden Militärmacht abgesetzt und vermutlich unmittelbar hingerichtet. An seiner Stelle bestieg „Das erste Krokodil“, Yax Nuun Ahiin I, den Thron. Anscheinend war das Krokodil ein Sohn des Herrschers von Theotihuacan, Atlatl Cauac, was so viel wie „Die Eule, die zuschlägt“ bedeutet. Historiker kennen ihn auch als „Speerschleudereule“.

Die nachfolgenden Herrscher konnten ihr Einflussgebiet ausweiten. Uaxactun wurde in das Königreich einverleibt, Rio Azul erobert und andere Städte am Lago Petén gerieten in politische Abhängigkeit von Tikal.

Am Ende des 5. Jahrhunderts reichte der Arm Tikals sogar bis in das heutige Grenzgebiet von Guatemala und Honduras. Nicht nur die Gründung von Copan, sondern auch der Beginn einer dortigen Herrscherdynastie lässt sich auf die Initiative Tikals unter dem Einfluss von Teotihuacán zurückführen. Zur selben Zeit wurde von Copan aus die Stadt Quirigua gegründet.

Im 6. Jahrhundert begann ein langewährender Krieg mit Calakmul. Etwa um 562 n. Chr. gelang es einer Allianz zwischen Calakmul und Caracol Tikal zu erobern und den regierenden König zu töten. Dieses Datum kennzeichnet eine Zeit, die von Historikern als Hiatus von Tikal bezeichnet wird. Für einen Zeitraum von etwa 120 Jahren gibt es keine Inschriften mehr in Tikal.

Einem Teil der Herrscherschicht Tikals scheint es gelungen zu sein, sich an den Hof von Palenque zu retten.

Die Kontrolle Calakmuls über Tikal war aber unvollständig und nur vorübergehend. Zwar war die Macht Tikals zunächst gebrochen und sein Einflussbereich stark gemindert, aber wohl doch nicht ausgelöscht.

Etwa 70 Jahre nach der Niederlage gegen Calakmul, im Jahre 629 n. Chr., gründete Tikal den militärischen Außenposten Dos Pilas und gewann auf diese Art die Kontrolle über die wichtige Handelsroute entlang des Rio Pasíon. Dos Pilas war Calakmul offensichtlich ein Dorn im Auge. Nach 30 Jahren, im Jahre 657 n. Chr., wurde es dann auch von dem Rivalen erobert. Der König von Dos Pilas, der dem Herrschergeschlecht Tikals entstammte, wechselte die Seiten und startete wiederum einen Angriff auf Tikal, der für Tikal fast verhängnisvoll gewesen wäre. Aber nur fast. Ein Gegenangriff Tikals führte zur Vertreibung des herrschenden Königs.

682 n. Chr. wurde in Tikal dann nach einer Pause von 120 Jahren wieder eine Inschrift angefertigt. Jasaw Chan K’awiil I., der die an der Gran Plaza gelegenen Tempel I und II errichten ließ, gelang es schließlich im Jahre 695 n. Chr. Calakmul zu besiegen und seinen Herrscher gefangen zu nehmen. Calakmul wurde dabei so hart getroffen, dass damit der Niedergang dieser einst großen Stadt besiegelt war. Nach dieser Niederlage gab es in Calakmul keine Inschriften mehr. Der Krieg hatte bis dahin fast 150 Jahre lang angedauert und umfasste so die gesamte Zeit des Hiatus.

In dieser Zeit ließ auch allmählich der Einfluss Teotihuacáns auf Tikal und das restliche Mayagebiet nach und endete schließlich ganz. Die über viele Jahrhunderte einflussreiche Stadt im Hochtal von Mexico wurde etwa um 700 n. Chr. zerstört und von seinen Bewohnern aufgegeben. Die genauen Hintergründe des Untergangs von Teotihuacán sind noch nicht geklärt, man glaubt aber als Ursache einen Volksaufstand erkennen zu können.

Das 8. Jahrhundert sah noch einiges an Bautätigkeit in Tikal, aber die Zahl der Inschriften ließ allmählich nach.

869 n. Chr. schließlich wurde die letzte Inschrift verfasst. Die Bevölkerungszahl schmolz allmählich und etwa um 950 n. Chr. war die Stadt zum größten Teil verlassen.  

Reisetipp 

Vom Busbahnhof in Flores/St. Elena aus kann man Tikal bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Die Fahrt im Collectivo dauert etwas weniger als eine Stunde, je nachdem wieviele Abstecher der Fahrer in die an der Strecke gelegenen Dörfer macht.

Gute Schuhe und ausreichend Trinkwasser sollte man für die Besichtigung dieser Mayastadt auf jeden Fall dabei haben. Die Strecken innerhalb des Geländes sind relativ lang. Vom Eingang zur Plaza Major sind es 1,3 Kilometer. Besucht man alle großen Tempel, dann muss man knapp sechs Kilometer zurücklegen. Dazu ist in Betracht zu ziehen, dass man manche der Pyramiden und Tempel auch besteigen kann, so dass leicht noch 100 Höhenmeter zur Wanderung hinzukommen.

Tikal bei Google Maps

Webseite des Nationalparks Tikal (englisch)

Christian Schoen

Christian Schoen ist Weltenbummler, Reiseschriftsteller und Autor des erfolgreichen Reiseführers "Die Ruinenstädte der Maya". Er liebt es Tempel, Pyramiden und sonstige alte Gemäuer zu besichtigen, wozu er auch abenteuerliche Wanderungen durch tropische Dschungellandschaften in Kauf nimmt. Immer dabei hat er seine Spiegelreflexkamera, um das vor Ort gesehene auch seinen Lesern vorstellen zu können. Aber im Schwarzwald kann man ihn auch manchmal antreffen.

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