Zur Serie „Der Mayakalender“ – Letzte Aktualisierung:
- Teil 1: Einführung
- Teil 2: Haab – Das Sonnenjahr
- Teil 3: Tzolk’in – Der sakrale Kalender
- Teil 4: Die Kalenderrunde
- Teil 5: Die lange Zählung
- Teil 6: Zahlen und das Vigesimalsystem
- Teil 7: Datum und Zahl in den Inschriften
Was ist der Haab-Kalender?
Der Haab ist der Sonnenkalender der Maya und entspricht in seiner Funktion am ehesten unserem heutigen Jahreskalender. Er orientiert sich am Sonnenjahr und umfasst ebenfalls 365 Tage.
Der Haab diente den Maya vor allem praktischen Zwecken: Er strukturierte das agrarische Jahr, bestimmte rituelle Zyklen und half bei der Planung alltäglicher Aufgaben – vom Honigsammeln bis zum Beginn der Regenzeit.
De Landa beschreibt in seinem Buch zahlreiche Zeremonien, Rituale und Feste, die in den verschiedenen Zeitabschnitten von der Mayabevölkerung unter Anleitung ihrer Priester durchgeführt wurden.
Aufbau des Haab-Kalenders
Die 18 Uinal – Monate zu je 20 Tagen
Der Haab-Kalender ist ähnlich unserem Kalender in Monate eingeteilt. Diese Monate heißen auf Mayathan Uinal. Jeder Uinal-Zeitabschnitt ist allerdings nur 20 Tage lang. Deshalb benötigt man 18 Uinal um das Jahr aufzufüllen. So ergeben sich zunächst 360 Tage.
Wayeb – Die fünf namenlosen Tage
Die restlichen 5 Tage werden Wayeb genannt, die namenlosen Tage, und am Ende als eigenständige Periode angefügt. Sie sind nicht numeriert. Damit sind die 365 Tage des Sonnenjahres erreicht.
Bedeutung der Haab-Monate
Die nachstehende Tabelle zeigt die 19 Haab-Zeitabschnitte in ihrer Reihenfolge – inklusive ihrer traditionellen Namen, Bedeutungen und zugehörigen Glyphen. Die Bedeutungen, die ich hinzugefügt habe, gehen auf die Aufzeichnungen de Landas zurück, der einzelne dieser Monate und ihre Zeremonien detailliert beschrieben hat.
De Landa erwähnt einige Monate wie Keh, Kankin, Kayab oder Kumku nicht näher. Ob dies auf Lücken im Wissen oder selektive Wahrnehmung zurückgeht, ist unklar – neuere Forschung versucht diese Lücken mit epigraphischen und ethnografischen Daten zu füllen.
Gewöhnlich verwendet man die Monatsbezeichnung, die während der Kolonialzeit in Yucatán noch in Gebrauch war und ebenfalls von De Landa überliefert wurde.
Inzwischen kennt man aber auch die in den Inschriften der klassischen Zeit verwendeten Namen in der damals verwendeten Sprache Cholan.
Nr. | Monat | Glyphe | Übersetzung / Bedeutung | Cholan-Name |
---|---|---|---|---|
0 | Pop | Neujahrsfest nach mindestens 13 Tagen Fastenzeit; Symbol für Gemeinschaft & Heirat | K’anjalab | |
1 | Uo | Zeremonien zu Ehren Itzamna – Gott der Magie, Medizin & Priester | Ik’at | |
2 | Zip | Fastenrituale der Jäger & Fischer; dem Gott Zip geweiht | Chak’at | |
3 | Zotz | Vorbereitung der Imkerei-Zeremonien | Sutz’ | |
4 | Tzec | Rituale der Bienenzüchter | Kasew | |
5 | Xul | Fest zu Ehren Kukulkan mit Umzügen & Spendenaktionen | Chikin | |
6 | Yax K’in | Rituelle Vorbereitungen; symbolische Schläge zur Förderung handwerklicher Fertigkeit | Yax K’in | |
7 | Mol | Herstellung neuer Götterbilder mit Blutritualen | Mol | |
8 | Chen | Tempelüberführung der geschnitzten Götterbilder | Ik’Sijom | |
9 | Yax | Fest „Ocná“ zur Tempelerneuerung | Yax Sijom | |
10 | Zak / Sak | Blutopfer der Jäger zur Götterbesänftigung | Sak Sijom | |
11 | Keh | Keine Aufzeichnungen von De Landa | Chak Sijom | |
12 | Mac | Tieropferzeremonien auf Tempeln mit Wasserlöschung der Flammen | Mak | |
13 | Kankin | Keine Aufzeichnungen von De Landa | Uniw | |
14 | Muwan | Dankrituale der Kakaobesitzer, Tieropfer | Muwan | |
15 | Pax | Kriegerrituale, Hundeopfer, Weissagungen | Paxil | |
16 | Kayab | Keine Aufzeichnungen von De Landa | K’anasiy | |
17 | Kumku | Keine Aufzeichnungen von De Landa | Hul Ol | |
18 | Wayeb | 5 Unglückstage – keine Unternehmungen, Rückzug ins Haus | Uway Hab |
Das Mayathan-Wort für Tag ist „Kin“.
Die Zählweise im Haab
Jeder der 18 Monate im Haab-Kalender umfasst genau 20 Tage – nummeriert von 0 bis 19. Die Maya zählten also den ersten Tag eines Monats als „0 Pop“, nicht „1 Pop“. Dies wirkt ungewohnt, folgt aber dem mathematischen Denken im Vigesimalsystem.
Der 19. Tag eines Monats war also „19 Pop“ – danach begann der nächste Monat mit „0 Uo“. Die letzten fünf Tage des Jahres bildeten eine Sonderphase: Wayeb. Diese galten als gefährlich oder unrein – man zählte sie nicht im üblichen Rhythmus.
Kalenderbeginn und das Rätsel des Schaltjahrs
Die Sicht Diego de Landas
Das Maya-Jahr im Haab-Kalender beginnt mit dem Datum 0 Pop. Laut den Aufzeichnungen Diego de Landas war das immer am 16. Juli (julianisch) bzw. am 26. Juli (gregorianisch), denn zur Zeit Diego de Landas galt noch der julianische Kalender.
An einem Punkt täuscht sich De Landa aber womöglich. Laut seinem Bericht verwendeten die Maya eine Kalenderkorrektur, die er als Schaltjahr bezeichnet und die entsprechend unserem Schaltjahr alle 4 Jahre vorgenommen wurde.
Hatten die Maya ein Schaltjahr?
Diego de Landa berichtet von einer Art „Schaltregel“: Alle vier Jahre sei ein zusätzlicher Tag eingefügt worden, um den Kalender an das Sonnenjahr anzupassen – ähnlich unserem heutigen gregorianischen Schaltjahr.
Moderne Forschung und Kritik
Moderne Forschung sieht das jedoch kritisch: Die bekannten Inschriften der klassischen Epoche legen nahe, dass keine regelmäßige Schaltregel verwendet wurde. Ein solcher Ausgleich hätte langfristig zu Abweichungen in den Kalenderzyklen geführt – doch die Daten bleiben über Jahrhunderte synchron.
Einige Forscher vermuten, dass spätere Postklassik-Gemeinschaften tatsächlich eine lokale Kalenderkorrektur eingeführt haben könnten – vielleicht als Reaktion auf astrologische Verschiebungen oder zur Vereinfachung agrarischer Planung.
Fazit und Ausblick
Der Haab-Kalender war für die Maya weit mehr als ein bloßes Zeitmesssystem. Er spiegelte die Ordnung der Natur, strukturierte das Jahr durch Rituale und Feste und verband den Alltag mit der göttlichen Sphäre. Die Einteilung in Monate mit klaren Aufgaben und spirituellen Bedeutungen zeigt, wie tief Zeit und Kosmos im Denken der Maya verankert waren.
Gleichzeitig offenbaren die offenen Fragen – etwa zum möglichen Schaltjahr oder zur Rolle der namenlosen Tage – die Komplexität dieses Systems und seine Entwicklung über viele Jahrhunderte hinweg.
Im nächsten Teil dieser Serie widmen wir uns dem Tzolkin, dem sakralen 260-Tage-Kalender. Er wurde für Weissagungen, Zeremonien und das Verständnis des persönlichen Schicksals verwendet – und ist bis heute in den Hochländern Guatemalas lebendig.
Weiterlesen: Der Mayakalender – Teil 3 – Tzolkin, der sakrale Kalender
Quellen:
– Anthony F. Aveni: Empires of Time. Tauris, 2002.
– Victoria R. Bricker & Harvey M. Bricker: Astronomy in the Maya Codices. American Philosophical Society, 2011.