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Der Mayakalender -Teil 1: Einführung in eine kosmische Zeitrechnung

Ausschnitt aus dem Dresden Codex - Mayakalender - Die Ruinenstädte der Maya

Ausschnitt aus dem Dresden Codex - Mayakalender - Die Ruinenstädte der Maya

Der Mayakalender – Teil 1 – Einführung
Der Mayakalender – Teil 2 – Haab, das Sonnenjahr
Der Mayakalender – Teil 3 – Tzolkin, der sakrale Kalender
Der Mayakalender – Teil 4 – Die Kalenderrunde
Der Mayakalender – Teil 5 – Die lange Zählung
Der Mayakalender – Teil 6 – Zahlen und das Vigesimalsystem
Der Mayakalender – Teil 7 – Datum und Zahl in den Inschriften

Der Mayakalender – Teil 1 – Einführung

Die Maya verstanden Zeit nicht als linearen Fluss, der von einem Anfang zu einem Ende strebt, sondern als ein ewiges Geflecht aus Zyklen – wie ein kosmisches Uhrwerk, das sich im Rhythmus von Sonne, Mond, Venus und den Göttern bewegte. Jeder Tag hatte eine eigene Bedeutung, eingebettet in ein System aus Ritualen, Prophezeiungen und astronomischer Präzision. Zeit war für sie nicht bloß ein Maß – sie war eine heilige Ordnung, ein Spiegel des Universums.

Die Schrift der Maya – mehr als nur Zeichen im Stein

Neben ihren monumentalen Bauwerken und kunstvollen Keramiken hinterließen die Maya eine der faszinierendsten Schriften der Alten Welt. Ihre Inschriften zieren Tempelwände, Wandmalereien, Jadeamulette – und vor allem Stelen: steinerne Zeugen der Geschichte.

Stele 21 – Edzná – Diese Stele aus dem 8. Jahrhundert zeigt einen der lokalen Herrscher. Das eingemeißelte Datum in der linken oberen Ecke entspricht dem 17. September 726 – ein Long-Count-Datum, das wir heute exakt entschlüsseln können.

Doch nicht nur Stein diente der Überlieferung: Die Maya schufen auch Codizes – faltbare Bücher aus Rindenpapier, Huun genannt. Diese bis zu mehrere Meter langen Schriftrollen enthielten astronomisches Wissen, Ritualkalender und göttliche Genealogien.

Vier dieser Codizes sind erhalten geblieben – ein Wunder, bedenkt man die gezielte Vernichtung durch die spanischen Eroberer.

„Wir verbrannten sie alle … denn sie enthielten nichts als Lügen des Teufels.“
— Diego de Landa, 1566

Ironischerweise war es genau Diego de Landa, Bischof von Yucatán und eifriger Zensor, der mit seinem Bericht Relación de las cosas de Yucatán den Schlüssel zur späteren Entzifferung der Maya-Schrift hinterließ.

Ausschnitt aus dem Dresden Codex – Seiten 58 – 62

Die Entschlüsselung – ein Drama aus Vorurteilen und Entdeckungen

Über Jahrzehnte hinweg galten die Zeichen der Maya als rein ideografisch oder mystisch. Landa wurde von der Fachwelt lange belächelt. Erst der sowjetische Linguist Juri Knorosow erkannte in den 1950er Jahren das phonetische Prinzip hinter der Schrift – und benutzte ausgerechnet Landas Alphabet dafür.

Heute kennen wir über 800 Zeichen, von denen ein Großteil zuverlässig lesbar ist. Viele dieser Inschriften beginnen mit einem Kalenderdatum – und genau dieses System soll im Folgenden verständlich erklärt werden.


Der Maya-Kalender – mehr als ein Datumssystem

Schon früh erkannten die Maya die Notwendigkeit, landwirtschaftliche Zyklen und Rituale mit der Himmelsbewegung in Einklang zu bringen. Das Ergebnis war kein einzelner Kalender – sondern ein komplexes System ineinandergreifender Zyklen:

1. Der Tzolk’in – der heilige Kalender (260 Tage)

Besteht aus 20 Tagesnamen und 13 Zahlen.
Jeder Tag hatte eine eigene Bedeutung – spirituell, astrologisch, schicksalsbeeinflussend. Bis heute ist der Tzolk’in in den Hochländern Guatemalas rituell im Einsatz.

2. Der Haab – der Sonnenkalender (365 Tage)

18 Monate zu je 20 Tagen plus 5 „namenlose“ Tage (Wayeb).
Er diente der Festlegung agrarischer Zyklen – etwa für Aussaat, Ernte und Regenzeit.

3. Der Long Count – historische Chronologie

Ermöglichte es den Maya, Ereignisse über Jahrtausende hinweg exakt zu datieren.
Beispiel:

9.16.3.10.8 entspricht dem 27. November 755 n. Chr.

Zusätzlich verwendeten die Maya ergänzende Kalender wie den 819-Tage-Zyklus und verschiedene Venus-Perioden – die ich in späteren Teilen erläutern werde.

KalenderDauerFunktionHeute noch in Gebrauch?
Tzolk’in260 TageRituell/spirituellJa – Hochland Guatemala
Haab365 TageLandwirtschaftlich/agrarischTeilweise
Long CountlinearGeschichtliche DatierungNein – wissenschaftlich

Der 21. Dezember 2012 – und der Missbrauch des Maya-Kalenders

Als ich 2007 nach einer Yucatán-Reise in einer Buchhandlung in Austin, Texas stöberte, fand ich eine Vielzahl solider Werke zur Maya-Kultur. Nur ein Jahr später war der Laden voll von Weltuntergangsprophetien. Selbsternannte „Maya-Experten“ verkündeten das Ende der Welt für den 21.12.2012.

Was die Maya an jenem Tag tatsächlich meinten?
Ein Zyklus (13 Baktun) ging zu Ende – nicht die Welt.
Die Menschheit blieb bestehen. Nur der Buchmarkt wurde um einige Kuriositäten reicher.


Lebendige Zeit – Die heutige Bedeutung des Kalenders

In Guatemala gibt es bis heute sogenannte Kalenderwächter (Ajq’ij), die das alte Wissen weitertragen. Sie berechnen günstige Tage für Zeremonien, Namensgebung oder Heilungsrituale. Auch im Norden Yucatáns feiern Maya-Gemeinden nach dem Haab-Kalender Aussaat- und Erntedankfeste.


Leseempfehlung

Wer tiefer in die spannende Geschichte der Entzifferung der Maya-Schrift eintauchen möchte, dem sei das Buch von Michael D. Coe ans Herz gelegt:
„Das Geheimnis der Maya-Schrift – Ein Code wird entschlüsselt“
Es schildert anschaulich, wie jahrzehntelange Rätselraten schließlich in einem wissenschaftlichen Durchbruch mündeten – und wie Forscher wie Yuri Knorosow die Grundlagen legten, auf denen heutige Epigraphik beruht.

Ebenfalls unverzichtbar ist Diego de Landas „Bericht aus Yucatán“.
Trotz seiner Widersprüche und des kolonialen Blickwinkels bietet dieses Werk den ältesten erhaltenen Augenzeugenbericht über die Maya. Es enthält wertvolle Informationen zu den Kalenderzyklen, Monatsnamen und rituellen Praktiken – und war zugleich Schlüssel zur Entzifferung der Maya-Schriftzeichen.

Ausblick

Im nächsten Kapitel dieser Serie erkläre ich dir den Haab im Detail – mit allen 20 Tagesnamen, ihrer Symbolik und wie du dein persönliches Maya-Geburtszeichen findest.

>>> Weiter zu: Der Mayakalender – Teil 2 – Haab, das Sonnenjahr


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