Hast du jemals die Ruinen von Edzná in Campeche besucht? Die Antwort dürfte „Nein“ sein, denn nur wenige Leute machen sich auf den Weg in diese hervorragend erhaltene Stätte der Maya. Die Stadt befindet sich etwa eine Stunde Fahrtzeit von Campeche entfernt, der Hauptstadt des gleichnamigen mexikanischen Bundesstaates. Von Mérida aus erreicht man Edzná in etwa drei Stunden. Die Maya-Ruinen von Edzná liegen ungefähr 40 Kilometer von der Golfküste entfernt im Westen der Halbinsel Yucatán.
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Der Name Edzná stammt aus der Sprache der yukatekisches Maya sprechenden Maya, dem Mayathan. Es bedeutet Haus der Itzá, was auf eine mögliche Verbindung zwischen Edzná und Chichén Itzá hinweisen würde.
Die Stadt war einstmals die Hauptstadt eines recht großen Staatsgebietes. Ihr Einfluss erstreckte sich im Norden bis in die Puuc-Region, im Südwesten grenzte sie an das Einflussgebiet Calakmuls. Das bisher erfasste Stadtareal hat eine Fläche von annähernd 25 Quadratkilometer. 25000 Menschen könnten hier gelebt haben.
Geschichte von Edzná
Es finden sich hier mehrere sehr große Bauwerke vor, die während der klassischen Periode der Maya-Geschichte errichtet wurden.
Die Anfänge Edznás reichen aber bis in präklassische Zeit zurück. Insgesamt von 400 v. Chr. bis 1450 n. Chr. war das Areal bewohnt, also über einen Zeitraum von 1800 Jahren.
Man hat bei Ausgrabungen in Edzná 32 Stelen und 2 Hieroglyphentreppen entdeckt. Dank der Inschriften war es möglich eine Dynastiefolge von 10 Herrschern erstellen, die von 633 n. Chr. – 869 n. Chr. reicht.
Eine enge Beziehung scheint zu Calakmul bestanden zu haben. Man vermutet, dass im 7. Jahrhundert Yuknoom Cheen II. auch bekannt mit dem Namenszusatz „ der Große“, der ein wichtiger Herrscher des Kaan-Königreiches mit Sitz in Calakmul war, gleichzeitig die Herrschaft über Edzná inne hatte.
Ein bemerkenswertes Ereignis war die Ankunft einer Herrscherin aus der Mayastadt Petexbatun im südlichen Tiefland im heutigen Guatemala. Auch dieses Ereignis wurde im 7. Jahrhundert notiert.
In dieser Zeit wuchs der Einfluss Edznás weit nach Norden in die Puuc-Region.
Gegen Ende des 7. Jahrhunderts wurden die Streitkräfte Calakmuls im Krieg gegen Tikal vernichtend geschlagen. Calakmul erholte sich nicht wieder von der Niederlage und büßte seine Vormachtstellung in der Maya-Welt ein.
Nach einer Reihe von Kriegen, eventuell gegen Cobá an der Ostküste der Halbinsel, musste auch Edzná einen vorübergehenden Verlust der Macht und des Einflusses hinnehmen.
Im 8. Jahrhundert erlebte die Stadt die Ankunft von Menschengruppen aus dem heutigen Tabasco, bei denen es sich vermutlich um die Gruppe der Itzá handelte. Die letzte Inschrift mit Datum stammt aus dem Jahr 810 n. Chr.
Aufgegeben, wie das mit den klassischen Städten des Südens geschah, wurde die Stadt allerdings nicht. Auch in der Zeit der Postklassik war Edzná noch bewohnt und ein wichtiges Zentrum der Region. Erst am Ende der postklassischen Zeit zwischen 1450 und 1500 wurde Edzná aufgegeben.
Die antiken Ruinen wurden 1907 wiederentdeckt. Organisierte Ausgrabungen begannen 1958. Seit den 1980er Jahren hat man große Anstrengungen für die Restauration der Gebäude unternommen. Diese muss man in jedem Fall als gelungen bezeichnen. Die riesigen Monumente beeindrucken vom ersten Moment des Betretens der Anlage an.
Die Monumente
Der Eingang, durch den man die Anlage betritt, liegt im Norden der Stätte, ungefähr auf Höhe des Ballspielplatzes.
Der große Platz
Im Zentrum von Edzná liegt der große Platz, an den sich östlich die Große Akropolis anfügt. Im Norden wird der Platz von der Plattform der Messer begrenzt, im Osten findet sich das große Haus Nohochná, von dem angenommen wird, dass es administrativen Zwecken diente. Im Süden des Platzes finden sich der Südtempel, ein Ballspielplatz und der Tempel der Masken. Ausgehend von der Treppe zur großen Akropolis führen zwei „heilige Straßen“ – Sacbeob, zu den beiden Ecken des großen Hauses Nohochná.
Die große Akropolis
Auf einer quadratischen Plattform, die man über die nach Westen weisende hohe Treppe erreicht, finden sich zahlreiche Tempel und Palastbauten.
Der Tempel der fünf Stockwerke
Das größte der Bauwerke ist der Tempel der fünf Stockwerke mit seiner Zentraltreppe. Er erhebt sich mittels fünf Stufen etwa 40 Meter über die Umgebung.
Diese Pyramide hat sehr ungewöhnliche Türöffnungen an ihrer Vorderseite, die zu Räumen mit Kraggewölben führen. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Pyramide nicht nur zeremoniellen Charakter hatte, sondern auch als Palast und somit zu Wohnzwecken oder für Verwaltungsaufgaben diente.
Bemerkenswert ist, dass die Konstriktion der Treppe teilweise frei schwebend ist.
Der Nordtempel
Auf der Nordseite der großen Akropolis befinden sich der Nordtempel, dessen letzte bauliche Änderung in die Postklassik fällt, und der Patio Puuc, ein Bereich mit begrenztem Innenhof, der auch ein Dampfbad enthielt.
Der Mondtempel
Am südlichen Ende der großen Akropolis, genau gegenüber dem Nordtempel, steht der Mondtempel, der sich mit seiner an der Vorderseite befindlichen Treppe dem Nordtempel zuwendet.
Die kleine Akropolis
Die kleine Akropolis ist eine weitere Plattform, die sich südlich der großen Akropolis befindet. Auf ihr findet sich der Tempel der Stufen.
Der Tempel der Masken
Der Tempel der Masken ist zwar eher klein, aber dennoch interessant. Er befindet sich westlich der kleinen Akropolis. Dort sind zwei große steinerne Masken in sehr gutem Erhaltungszustand zu sehen. Sie stellen vermutlich den Sonnengott der Maya „Kinich Ahau“ dar.
Die alte Hexe – La Vieja Hechicera
Etwa 800 Meter vom Zentrum entfernt in nordwestlicher Richtung, findet sich eine weitere große Struktur, die alte Hexe – La Vieja Hechicera. Diese ist aber noch nicht restauriert und in ihrem ursprünglichen, zerfallenen Zusand gelassen.
Wassermanagement in Edzná
Die Region um Campeche erhält zwar während der Wintermonate die wenigsten Niederschläge im Mayagebiet. Dementsprechend ist auch die Vegetation an der westlichen Golfküste durch regengrüne Trockenwälder geprägt, die nach Norden hin in Dornbuschsavanne übergehen.
Während der Hauptregenzeit in den Monaten Juli bis September fallen dann aber im Tagesdurchschnitt 180 mm pro Tag, was die Gegend zur regenreichsten Region des nördlichen Tieflands macht. Wegen des relativ undurchlässigen Untergrundes kann es leicht zu Überschwemmungen kommen. Das war schon für die Maya in klassischer Zeit ein großes Problem, das sie aber meisterhaft gelöst haben.
Überreste eines komplexen Systems für das Wassermanagement lassen sich an verschiedenen Stellen des Geländes nachweisen. Hauptzweck dieses Wassersystems mit Kanälen, deren Länge bis zu 6 Kilometer betrug, dürfte die schnelle Entwässerung des Stadtareals nach heftigen Regenfällen gewesen sein.
Mehrere Kanäle führten zu einem nahegelegenen See. Neben dem Zweck des Abflusses dienten die Kanäle aber auch als Transportwege und natürlich zur Bewässerung der Felder. Auch als Verteidigungsanlage dürften die Kanäle ihren Zweck erfüllt haben. Zusätzlich ermöglichten sie eine Anreicherung des Speiseplans durch Fischzucht.
Reisetipp
Um Edzná zu besuchen, empfiehlt es sich eine Unterkunft in Campeche zu nehmen. Rund um Edzná gibt es keine nennenswerten Unterbringungsmöglichkeiten. Der öffentliche Bus verkehrt nur ein oder zweimal pro Tag. Deshalb habe ich mir für die Besichtigung Edznás für einen Tag ein Taxi gemietet. Günstiger ist es, wenn man sich mit anderen zusammenschließt oder eine organisierte Tour bucht. Auf dem zentral gelegenen Platz in Campeche finden sich entsprechende lokale Reiseveranstalter. Auch die Hotels können einem bei der Organisation eines solchen Ausfluges weiter helfen.
Seit 1999 hat Campeche den Status eines UNESCO Weltkulturerbes. Die Stadt mit 250.000 Einwohnern wurde 1540 von den spanischen Eroberern gegründet.
Über die Jahrhunderte wurde Campeche mehrmals von Piraten überfallen, manchmal sogar erobert und alle seine Bewohner in die Sklaverei verkauft. Ein Museum, das dem Thema „Piraten“ gewidmet ist, und auch die nächtlichen Aufführungen auf den alten Stadtmauern halten die Erinnerung an diese Ereignisse aufrecht. Die mächtigen Befestigungsanlagen mit ihren alten, verrosteten Kanonen sind gut erhalten und können besichtigt werden.
Das Stadtzentrum konnte sich den alten Stil der Kolonialzeit erhalten, noch dazu mit weitaus weniger Tourismus als etwa in dem kleineren San Cristobal de las Casas in Chiapas.
Obwohl zahlreiche Reiseführer vor allem die frischen Meeresfrüchteangebote hier direkt an der Golfküste hervorheben, möchte ich dringend dazu raten, nur gekochte Speisen zu verzehren.
Nach dem Besuch von Campeche empfiehlt sich die Weiterfahrt nach Palenque. Der Bus benötigt für die Strecke etwa vier Stunden.