Der Mayakalender -Teil 1 – Einführung – Wie funktioniert der Mayakalender?

Der Artikel „Der Mayakalender“ ist ein Auszug aus der zweiten Auflage meines Buchs „Die Ruinenstädte der Maya„,  einem Reiseführer zu den wichtigsten Mayastätten auf der Yucatán-Halbinsel in México und Guatemala. Die 2. Auflage ist im Herbst 2017 erscheinen.

Ich habe das Kapitel in 7 Abschnitte aufgeteilt:

Der Mayakalender – Teil 1 – Einführung
Der Mayakalender – Teil 2 – Haab, das Sonnenjahr
Der Mayakalender – Teil 3 – Tzolkin, der sakrale Kalender
Der Mayakalender – Teil 4 – Die Kalenderrunde
Der Mayakalender – Teil 5 – Die lange Zählung
Der Mayakalender – Teil 6 – Zahlen und das Vigesimalsystem
Der Mayakalender – Teil 7 – Datum und Zahl in den Inschriften

Der Mayakalender – Teil 1 – Einführung

Neben ihren grandiosen Bauwerken und den getöpferten Kunstgegenständen hinterließen die Maya eine große Menge von schriftlichen Zeugnissen.

Diese Inschriften finden sich an den Gebäuden selber, aber auch zusammen mit Wandmalereien in Innenräumen, auf bemalten Keramiken oder Schmuckstücken aus Jade.

In der klassischen Epoche wurden vielfach steinerne Stelen aufgestellt, auf denen sich neben den Abbildungen der Herrscher auch zusätzliche schriftliche Informationen finden.

Stele 21 - Edzná - Die Stele aus dem 8. Jahrhundert zeigt einen der Herrscher von Edzná. Das Datum in der linken oberen Ecke der Stele benennt das Datum 17. September 726
Stele 21 – Edzná – Die Stele aus dem 8. Jahrhundert zeigt einen der Herrscher von Edzná. Das Datum in der linken oberen Ecke der Stele benennt das Datum 17. September 726

Bücher aus Papier – Inschriften in Stein

Weit verbreitet waren auch Bücher, die sogenannten Codizes. Etwa im 5. Jahrhundert hatten die Maya die Herstellung von Papier aus Baumrinde erfunden. Huun nannten sie das Material und stellten auch Kleidung daraus her.

Die Codizes bestanden aus etwa 20 cm hohen Blättern, die nach Art einer Ziehharmonika zusammengefügt wurden und in aufgefaltetem Zustand eine Länge von mehreren Metern erreichen konnten. Nur vier dieser Codizes sind erhalten geblieben.

Als die Spanier Yucatán erreichten, muss es noch hunderte dieser Bücher gegeben haben, aber die christlichen Mönche verbrannten diese, wo immer sie ihrer habhaft werden konnten.

Diego de Landa, der zweite Bischof von Yucatán, war persönlich für so eine Bücherverbrennung verantwortlich und hat dies in seinen Aufzeichnungen notiert.

Viele dieser Bücher sind allerdings ganz einfach dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. In vielen Gräbern hat man Bücher als Grabbeigaben festgestellt. Wegen des feucht-heißen Klimas in der Region, sind von diesen allerdings nur vermoderte Reste übrig geblieben.

Ausschnitt aus dem Dresden Codex – Seiten 58 – 62

Gerade weil nur wenige schriftliche Zeugnisse bis heute überdauert haben, sind die Inschriften von besonderer Bedeutung für das Verständnis der antiken Mayakultur.

Ihre Entzifferung ist allerdings erst in den letzten Jahrzehnten gelungen. Lange rätselte und stritt sich die Forschergemeinschaft darüber, welche Bedeutung die Zeichen wohl haben könnten.

Den Schlüssel dazu hatten sie im Grunde genommen schon seit 1863 in der Hand. Damals entdeckte man eine handschriftliche Kopie des bis dahin verschollenen Werks von Diego de Landa aus dem Jahr 1566, dem „Bericht aus Yucatán“.

Allerdings handelt es sich dabei nur um eine aus 3 lückenhaften Abschriften zusammengestellte Kopie des Originals. Wie auch immer. Diego de Landa liefert darin nicht nur den Schlüssel zur Mayaschrift, er erläutert auch Teile des weiter unten vorgestellten Kalenders und liefert eine sehr eingehende Beschreibung der postklassischen Geschichte des nördlichen Yucatán und darüber hinaus.

De Landa notierte alles, was für ihn von Bedeutung war und produzierte so eine recht genaue Beschreibung der Lebensumstände der Maya, wie er sie selbst beobachten konnte.

Natürlich war Diego de Landa kein Ethnologe und schon gar kein Sprachwissenschaftler, sondern, wie wir an verschiedenen Stellen dieses Buches schon gesehen haben, ein dem katholischen Glauben des ausgehenden Mittelalters verpflichteter Christ, wie sie im Gefolge der Eroberungen, die ja unter dem Deckmantel der Missionierung stattfanden, vielfach zu finden waren.

Aus diesem Blickwinkel heraus ist sein Bericht geschrieben, der durchaus wohlwollend die einfachen Menschen beschreibt, für die ursprüngliche Religion der Maya aber naturgemäß nicht viel übrig hat.

Auch hat er sich bei der Beschreibung der Schrift keine besondere Mühe gegeben, so dass die Mayaforscher seine Notizen lange Zeit nur für Phantastereien hielten.

Ich nehme mal an, dass hier Antipathie, wegen der Verbrennung der Codizes durch Diego de Landa und eine gehörigen Portion Voreingenommenheit wegen seiner spanisch-katholischen Herkunft eine wichtige Rolle spielten.

Denn zu guter Letzt war es ein russischer Sprachforscher in der Sowjetunion, dem es gelang den Code mit Hilfe des Landa-Alphabetes zu entschlüsseln. Hätten sie mal besser genauer hingeschaut!

Etwa 800 einzelne Schriftzeichen sind bisher festgestellt worden und den größten Teil davon kann man mittlerweile lesen.

Bevor ich jetzt aber damit beginne die Schrift zu beschreiben, will ich das Kalendersystem der Maya vorstellen, weil es doch für viele der Inschriften die Grundlage darstellt.

Und am Ende des Kapitels wirst du dazu in der Lage sein einfache Kalenderdaten in Inschriften selber zu lesen, so dass du ausrechnen kannst, aus welcher Zeit eine Inschrift vermutlich stammt.

Der Mayakalender und die Esoterik

Als ich 2007 bei der Rückkehr von einer Reise auf die Yukatan-Halbinsel einen Zwischenhalt  in Austin, Texas einlegte, war ich sehr angetan von der Menge an Büchern über die Kultur der Maya, die ich dort, in der nach eigenen Angaben größten Buchhandlung der USA, vorfand.

Schon ein Jahr später, als ich nach einem Trip nach Guatemala die gleiche Buchhandlung wieder besuchte, wurde ich dort sozusagen von einem Berg  pseudowissenschaftlicher und spirituell-esoterischer Abhandlungen, über den angeblich von den Maya prophezeiten Weltuntergang am 21.12.2012, fast erschlagen.

Sogenannte „Mayaexperten“ erläuterten in langen Abhandlungen ihre Interpretation des Mayakalenders, seine Auswirkung auf die Menschheitsgeschichte und das Schicksal der Welt im Allgemeinen. Von Auswirkungen war die Rede, die vom Ende der Welt bis zur Erhöhung des Bewusstseins der menschlichen Rasse reichten.

Inzwischen sind etliche Jahre vergangen und es dürfte jedem aufgefallen sein:

Das betreffende Schicksalsdatum, das die antiken Maya vor mehr als 1000 Jahren in eine Steinplatte gemeißelt zurückgelassen haben,  ist an der Welt vorüber gezogen, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.

Die Welt ist immer noch nicht untergegangen und auch die Menschheit ist genauso dumm oder schlau, wie sie vor diesem Datum war.

Das einzige was sich durch diesen Weltuntergangshype geändert haben dürfte,  ist der Kontostand der Weltuntergangsexperten.

Nichtsdestotrotz ist der Kalender der Maya, der in seinen Anfängen bis zur geheimnisvollen Kultur der Olmeken zurückreicht, ein faszinierendes Phänomen.

Und ein relativ kompliziertes. Denn es handelt sich nicht um einen einzelnen Kalender, sondern um mehrere, verschiedenartige Kalender, die ineinandergreifend verwendet wurden.

Im Verlauf dieser Kapitelserie will ich versuchen das Kalendersystem der Maya mit möglichst einfachen Worten zu erklären, so dass auch Nicht-Mathematiker verstehen, wie dieses komplexe System funktioniert hat.

Das Kalendersystem der Maya

Wie viele andere Kulturen, deren Lebensgrundlage die Landwirtschaft war, entwickelten auch die Maya einen Kalender, der es ihnen ermöglichte die wiederkehrenden Zeitpunkte für die Aussaat ihrer Feldfrüchte festzulegen.

Funde, die man in dem betreffenden Gebiet gemacht hat, scheinen darauf hinzudeuten, dass die Maya zunächst eine noch einfache Form des Kalenders von den Olmeken übernommen und dann weiterentwickelt haben.

Später entwickelte sich aus den Kalendern ein System für Prophezeiungen und Schicksalsdeutungen, vergleichbar mit dem System der Archäologie.

De Landa deutet dies in seinem Bericht aus Yucatán an, und auch heute noch werden in manchen Regionen die „Hüter des Kalenders“ in dieser Hinsicht zur Rate gezogen.

Im Hochland von Guatemala, aber auch im nördlichen Yukatan, sind Teile des Mayakalenders heute noch in Gebrauch. In Guatemala werden sogenannte  „Kalenderwächter“  ernannt, die in ihren Dorfgemeinschaften als Berater fungieren, das Kalenderwissen verwalten und es an die nächste Generationen weiter geben. In Yucatán werden von traditionellen Maya verschiedene mit Aussaat und Ernte zusammenhängende Zeremonien abgehalten.

Das Kalendersystem der Maya besteht, wie erwähnt, aus mehreren ineinandergreifenden Kalendern, die ich zunächst einzeln erläutern will.

>>> Weiter zu: Der Mayakalender – Teil 2 – Haab, das Sonnenjahr


Leseempfehlung:

Ein hervorragendes Buch, das sich mit den historischen Aspekten der Entzifferung beschäftigt, stammt von Michael D. Coe „Das Geheimnis der Maya-Schrift. Ein Code wird entschlüsselt“.
Diego de Landas „Bericht aus Yucatán“ ist der früheste Augenzeugenbericht über die Kultur der Maya, enthält Informationen über die einzelnen Monate des Kalenders und war ein wichtiger Schlüssel bei der Entzifferung der Schriftzeichen.

Christian Schoen

Christian Schoen ist Weltenbummler, Reiseschriftsteller und Autor des erfolgreichen Reiseführers "Die Ruinenstädte der Maya". Er liebt es Tempel, Pyramiden und sonstige alte Gemäuer zu besichtigen, wozu er auch abenteuerliche Wanderungen durch tropische Dschungellandschaften in Kauf nimmt. Immer dabei hat er seine Spiegelreflexkamera, um das vor Ort gesehene auch seinen Lesern vorstellen zu können. Aber im Schwarzwald kann man ihn auch manchmal antreffen.