Der Mayakalender – Teil 6 – Zahlen und Mathematik bei den Maya – das Vigesimalsystem

Der Artikel „Der Mayakalender“ ist ein Auszug aus der zweiten Auflage meines Buchs „Die Ruinenstädte der Maya„ –  einem Reiseführer zu den wichtigsten Mayastätten auf der Yucatán-Halbinsel in México und Guatemala.
Die 2. Auflage erscheint im Herbst 2017.

Der Mayakalender – Teil 1 – Einführung
Der Mayakalender – Teil 2 – Haab, das Sonnenjahr
Der Mayakalender – Teil 3 -Tzolkin, der sakrale Kalender
Der Mayakalender – Teil 4 – Die Kalenderrunde
Der Mayakalender – Teil 5 – Die lange Zählung
Der Mayakalender – Teil 6 – Zahlen und das Vigesimalsystem
Der Mayakalender – Teil 7 – Datum und Zahl in den Inschriften

Zahlen und Mathematik bei den antiken Maya

Bevor wir uns jetzt der Darstellung des Datums in den Inschriften zuwenden, will ich noch kurz die Zahlen vorstellen und einige Regeln, wie sie von den Maya verwendet wurden, erläutern. Denn kein Datum kommt ohne Zahlen aus. Wie wir schon in der Einführung zum Kalender gesehen haben, waren die antiken Maya penible Rechenkünstler. Datumsangaben waren häufig in den Inschriften, aber auch Differenzzahlen zwischen zwei Tagesdaten, um auf ein vorhergendes Datum hinzuweisen, wurden in die Texte eingestreut.

Bei der Zählweise, die dem Kalender zugrunde liegt, hattest du schon gesehen, dass die Maya bei Datumsangaben 20 Zahlen verwenden. Meistens 0 bis 19. Falls dich das da schon verwundert hat, hier ist die Erklärung:

Die Maya hatten kein Dezimalsystem mit Zehnern, Hundertern und Tausendern, so wie wir. Ihr System war vigesimal….das heißt es basierte auf der Zahl 20 im Gegensatz zu dezimal, das auf der Zahl 10 basiert.

Genau betrachtet, verwendeten sie zum Zählen nicht nur ihre zehn Finger sondern nahmen auch noch die Zehen dazu. Ein Vigesimalsystem mag einem deutschen Leser ungewöhnlich vorkommen, aber auch in Europa sind oder waren Vigesimalsysteme  verbreitet.

Nicht nur bei den eher exotischen europäischen Kulturen, wie den Basken und Schotten waren solche zwanziger-Systeme bekannt. Auch in den Sprachen der Slowenen, Dänen, Georgier, Waliser, Albaner  oder Iren finden sich zumindest Reste dieses Zahlensystems. Und wer in der Schule Französisch lernen durfte, der erinnert sich bestimmt an das verwirrende quatre-vingt-dix- neuf (vier-zwanzig-zehn-neun), womit der Franzose die Zahl 99 zum Ausdruck bringt.

Böse Zungen behaupten, dass Vigesimalsysteme vor allem bei barfußgehenden Kulturen verbreitet gewesen seien, weil diese es leichter gehabt hätten ihre zehn Zehen in das Rechensystem mit ein zu beziehen.

Die Darstellung der Zahlen 

Betrachten wir jetzt zunächst die Darstellung der Zahlen, wie sie in den Codizes überliefert wurde und wie man sie auch in vielen Inschriften findet.

Man findet 3 Zahlensymbole, um Zahlen auszudrücken. Ein Punkt hat den Wert 1, ein Strich hat den Wert 5 und für die 0 verwendeten die Maya das Symbol einer Muschel.

In den Inschriften war es zusätzlich zu dieser Punkt-Strich-Notation üblich sogenannte Kopfzeichen für spezielle Zahlen zu verwenden. Die 10 etwa wurde durch das Bild eines Totenkopfes ausgedrückt. Wie Zahlen in den Inschriften dargestellt wurden, werde ich weiter unten ausführen.

Der Mayakalender: Zahlsymbole der Maya

Der Mayakalender: Zahlensymbole der Maya

 

Die Punkt-Strich-Notation funktioniert so ähnlich, wie die in deutschen Biergärten beliebte Bierdeckelnotation. Bei dieser letzteren wird jedes Bier mit einem senkrechten Strich gezählt. Das fünfte Bier aber, wird durch einen waagerechten Strich repräsentiert, der die ersten 4 Striche durchkreuzt. Auf Basis dieser Notation sind die Gäste und der Wirt dazu in der Lage auch noch zu vorgerückter Stunde und unter erheblichem Alkoholeinfluss stehend eine korrekte Berechnung der Getränkekosten vorzunehmen.

Die Maya gingen so ähnlich vor.

Mit 1 bis 4 Punkten wurden die Zahlen 1 bis 4 ausgedrückt. Für die Zahl 5 verwendeten sie einen Strich. Man muss beachten, dass in Inschriften die Zahlsymbole auch um 90 Grad gedreht dargestellt werden konnten.

Der Mayakalender: Darstellung der Zahlen 1 bis 5

Der Mayakalender: Darstellung der Zahlen 1 bis 5

 

War die fünf erreicht, dann wurde mit zusätzlichen Punkten weitergemacht. Hier die Zahl 8:

Der Mayakalender: Die Zahl 8 in der Notation der Maya

Der Mayakalender: Die Zahl 8 in der Notation der Maya

Um die Zahl 10 auszudrücken wurden dann schließlich wieder zwei Striche verwendet:

Der Mayakalender - die Zahl 10 in der Schreibweise der Maya

Der Mayakalender – die Zahl 10 in der Schreibweise der Maya

 

Auch Zahlen größer als zwanzig kann man auf diese Art notieren. Dazu werden, so wie auch bei uns, zusätzliche Stellen für die größeren Einheiten verwendet. Die Zahl 312 wird in unserem Dezimalsystem  von rechts nach linkes aus zwei Einern an erster, einem Zehner an zweiter und 3 Hundertern an dritter Stelle gebildet.

Also:

3×100 = 300

1 x 10 = 10

2 x 1 = 2

In Summe:  312

Die Maya verwendeten ebenfalls ein Stellenwertsystem. Da es sich aber um ein Vigesimalsystem handelt, ergeben sich beim hochzählen andere Werte. Die Schreibweise der Maya war so, dass die kleineren Einheiten unten lagen, die größeren oben darüber folgten. Statt von rechts nach lnks schrieben sie ihre Zahlen also von unten nach oben. Mit der ersten Stelle wurden die Einer ausgedrückt und zusätzlich die Zahlen 10 bis 19. Die zweite Stelle bezeichnete die 20er, die dritte dann die 400er und so weiter, jeweils das 20-fache.

Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel. Durch das Hinzufügen weiterer Stellen kann man so beliebig große Zahlen darstellen.

Der Mayakalender: Das Stellenwertsystem der Maya

Der Mayakalender: Das Stellenwertsystem der Maya

 

Wie wir weiter oben bei der Beschreibung der langen Zählung schon gesehen hatten, wurden in den Kalendersystemen immer von 0 bis 19 gezählt. Mit Ausnahme der Zeiteinheit Tun, dort waren nur Zahlen von 0 bis 17 gültig. Deshalb würde man bei Zahlen, die ein Kalenderdatum enthalten, bei der Berechnung geringfügig anders vorgehen.

Hier die entsprechende Tabelle:

Der Mayakalender: Das Stellenwertsystem der Maya im Kalender

Der Mayakalender: Das Stellenwertsystem der Maya im Kalender

 

Die Darstellung der Zahlen in den Inschriften

Neben der Punkt-Strich-Notation, verwendeten die Maya eine ganze Reihe von Kopfglyphen, um ihre Zahlen darzustellen. Auch für die Null gibt es es Darstellungen, die von der einfachen Muschel der Punkt-Strich-Notation abweicht.

Die folgenden Tabellen stellen die gebräuchlichsten  Kopfzeichen für die Zahlen 0 – 20. Die Benennung erfolgt  in den Mayasprachen Mayathan und Cholan:

Der Mayakalender: Die Zahlen 1- 5 - mih/mihan,jun,cha',ux/ox, chan/kan, ho

Der Mayakalender: Die Zahlen 1- 5 – mih/mihan,jun,cha‘,ux/ox, chan/kan, ho

 

Der Mayakalender: Zahlen_5-10 - ho', wak, huk, waxak, balun

Der Mayakalender: Zahlen_5-10 – ho‘, wak, huk, waxak, balun

 

Der Mayakalender - Zahlen 11-15 - lajun, buluch/buluk, lajunchan, uxlajun/oxlajun,, chanlajun

Der Mayakalender – Zahlen 11-15 – lajun, buluch/buluk, lajunchan, uxlajun/oxlajun,, chanlajun

 

Der Mayakalender - Zahlen 15-19 - ho'lajun, waklajun, huklajun,waxaklajun,balunlajun

Der Mayakalender – Zahlen 15-19 – ho’lajun, waklajun, huklajun,waxaklajun,balunlajun

 

Jetzt haben wir im Grunde alle wesentlichen Informationen zusammen, damit wir uns mit den eigentlichen, in Stein gemeißelten Datumsinschriften, wie sie von den Maya hinterlassen wurden, beschäftigen können.

>>> Weiter geht’s mit: Der Mayakalender – Teil 7 – Datum und Zahl in den Inschriften der Maya


 

Christian Schoen

Christian Schoen ist Weltenbummler, Reiseschriftsteller und Autor des erfolgreichen Reiseführers "Die Ruinenstädte der Maya". Er liebt es Tempel, Pyramiden und sonstige alte Gemäuer zu besichtigen, wozu er auch abenteuerliche Wanderungen durch tropische Dschungellandschaften in Kauf nimmt. Immer dabei hat er seine Spiegelreflexkamera, um das vor Ort gesehene auch seinen Lesern vorstellen zu können. Aber im Schwarzwald kann man ihn auch manchmal antreffen.